Diversität im Tierreich 2 – Wenn Tiere das Geschlecht ändern

Dezember 2024
Copyright: Foto von Sebastian Pena Lambarri auf Unsplash

Tiere, die ihr Geschlecht wechseln können – ja das gibt’s!
Unser zweiter Artikel der Reihe “Diversität im Tierreich” dreht sich nun nicht mehr um verschiedene Sexualitäten in der Welt der Tiere – mehr zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften in der Tierwelt findest du hier – sondern wir wenden uns nun der faszinierenden Frage des Geschlechtes einiger Tiere zu. Diese scheint nämlich nicht immer so einfach zu beantworten zu sein, wie man vielleicht annimmt.

Disclaimer: Wie auch bei Untersuchungen der Sexualität einzelner Tiere, sollte auch in Bezug auf sämtliche geschlechtsbeschreibende Begriffe erwähnt werden, dass es sich dabei nunmal um menschengemachte Konstrukte handelt, die sich aber erstens auf einem Spektrum befinden und keinesfalls in Stein geschlagen sein müssen und sich zweitens nur bedingt auf die Tierwelt übertragen lassen.

Kleiner Exkurs in die Biologie

Bei Säugetieren – und infolgedessen auch bei uns Menschen – wird das Geschlecht eines Tieres durch ein jeweiliges Chromosomenpaar festgelegt. Besitzt ein Säugetier ein X-Chromosomen-Paar, so bezeichnen wir das Tier als weiblich; besitzt es ein X-Chromosom und ein Y-Chromosom, so ist es männlich. Die Zusammensetzung dieser Chromosomenpaare ändert sich zeitlebens nicht.

FunFact: Auch das Geschlecht von Vögeln wird durch ein jeweiliges Chromosomenpaar festgelegt. Hierbei handelt es sich aber entweder um ein Z- und ein W-Chromosom (weiblich) oder zwei Z-Chromosome (männlich).

Bei anderen Tiergattungen muss dies jedoch nicht zwangsweise der Fall sein. So gibt es beispielsweise einige Fischarten, die in verschiedenen Lebensstadien ihr Geschlecht wechseln können – das nennt sich “sequenzieller Hermaphroditismus”.

Auch zwittrige Tiere – also Tiere mit einem Doppelgeschlecht – sind in der Tierwelt vertreten und vollkommen natürlich.

Gender Diversity in der Unterwasserwelt

Fische wie beispielsweise der Falsche Clown-Anemonenfisch, der Sechsstreifen Lippfisch und der Flammen-Fahnenbarsch können ihr Geschlecht ändern.
Diese Umwandlung beträgt in der Regel wenige Tage – manchmal aber auch einige Wochen. Während dieser Zeit ändern die Fische ihr Verhalten und ihr Aussehen – inklusive der Anatomie.

Von Barschen und Clownfischen

Barsche gehören zu der Ordnung der Knochenfische und haben eine faszinierende Fähigkeit: sie können ihr Geschlecht von weiblich zu männlich ändern. Der Geschlechtsumwandlung liegt dabei ein Größenvorteil zugrunde. Innerhalb eines Schwarms gibt es nur einen männlichen Barsch, welcher deutlich größer ist als die Weibchen. Das verschafft dem männlichen Barsch beispielsweise in der Verteidigung seines Reviers einige Vorteile. Sollte aber das Männchen sterben, so muss ein anderer Fisch seinen Platz einnehmen. Diese Rolle wird dann von dem größten Weibchen des Schwarms übernommen, welches sein Geschlecht zu männlich wechselt und anschließend das Territorium des verstorbenen Fisches samt des Schwarmes übernimmt.
Diese Art der Geschlechtsumwandlung tritt bei Fischen am häufigsten auf.

Genau andersherum verhält es sich bei den Clownfischen oder auch den Anemonenfischen. Hier ist es nämlich von Vorteil, wenn die Weibchen größer sind als die Männchen, da größere Weibchen mehr Eier legen und so für mehr Nachwuchs sorgen können.
Clownfische sind monogam lebende Fische, die in kleinen Gruppen anzutreffen sind. Das größte Mitglied eines Schwarms ist dabei immer ein Weibchen und das zweitgrößte Mitglied ein dominantes Männchen. Sämtliche anderen Mitglieder des Schwarms sind ebenso Männchen, die jedoch deutlich kleiner sind und sich nicht fortpflanzen. Ähnlich wie bei den Barschen muss nach dem Tod des größten Tieres – also in dem Fall dem Weibchen – für Ersatz gesorgt werden, weshalb nun der größte männliche Fisch des Schwarms zum Weibchen wird und den Schwarm übernimmt.

FunFact: Für den beliebten Pixar-Film “Finding Nemo” würde dies also bedeuten, dass der Vaterfisch Marlin sich nach dem Tod seiner Frau Cora in ein Weibchen umwandeln würde und Nemo also eine Mutter, aber keinen Vater hätte.

Wie einige andere Fischarten auch, können Clownfische bei Bedarf ihr Geschlecht verändern.

Geschlechtswandel nach Bedarf

Bestimmte Fischarten, wie beispielsweise Korallengrundeln, können ihr Geschlecht sowohl von weiblich zu männlich als auch von männlich zu weiblich ändern – abhängig davon, was die Gegebenheiten fordern. Dadurch, dass die Korallengrundeln recht sesshaft sind, stehen ihnen nur begrenzt potentielle Partner zur Verfügung. Umso praktischer ist es also, dass hier jeder Fisch sein Geschlecht beliebig ändern kann, sodass bei zwei aufeinandertreffenden Fischen – unabhängig der Geschlechter, mit denen sie ursprünglich aufeinandertreffen – eine Fortpflanzung möglich ist.

Auch bei Austern sind Geschlechtsumwandlungen etwas völlig Natürliches – manche Arten können ihr Geschlecht sogar mehrfach im Lauf ihres Lebens ändern.
Ein Beispiel hierfür bilden europäische Austern, die ihr Geschlecht einige Male umwandeln können und dies auch tun. Die Gründe hierfür sind recht vielschichtig und hängen häufig mit Umweltfaktoren wie der zur Verfügung stehenden Nahrung zusammen. Findet eine europäische Auster beispielsweise viel Nahrung vor, so empfiehlt sich ein weibliches Geschlecht, da mit mehr Nahrung eine größere Zahl an Eiern produziert werden kann. Die Auster passt ihr Geschlecht also dementsprechend an. Auch Faktoren wie die Umgebungstemperatur im Wasser können eine Rolle bei der Wahl des Geschlechtes spielen.
Pazifische Austern hingegen sind von Geburt an männlich, doch nach einiger Zeit wechselt ein Teil der Population zum weiblichen Geschlecht. Auch die pazifische Auster könnte die Geschlechtsumwandlung theoretisch mehrfach in ihrem Leben durchführen; tut es jedoch in der Regel nicht.

Geschlechtsumwandlung bei australischen Bartagamen

Ursprünglich ging man davon aus, dass auch das Geschlecht von Reptilien nur durch das jeweilige Chromosomenpaar des Tieres festgelegt wird. Wie auch bei den Vögeln bestehen diese Chromosomenpaare bei den Weibchen – anders bei uns Menschen – aus zwei verschiedenen Chromosomen (ZW) und bei den Männchen aus zwei gleichen Chromosomen (ZZ). Ursprünglich ging man davon aus, dass dies die einzigen Faktoren sind, die das Geschlecht dieser Tiere bestimmen. Eine Untersuchung des Geschlechts von insgesamt 131 Bartagamen aus Queensland und New South Wales stellt diese ursprüngliche Annahme jedoch auf den Kopf. Denn auch Bartagamen sind zu Geschlechtsumwandlungen fähig.

Den Zoolog:innen, die die Tiere anhand der Chromosomen auf ihr Geschlecht hin untersuchten, stießen dabei auf ganze elf Agamen, die von der Chromosomenausstattung her männlich hätten sein müssen – also ZZ Chromosomen hatten – aber klar ersichtlich weiblich waren.

Nach dieser Entdeckung wurde weiter im Labor geforscht, um dieses Phänomen zu verstehen: Ausschlaggebend für die Änderung des Geschlechtes trotz gleichbleibender Chromonomenpaare scheinen die Temperaturen zu sein, denen die Bartagamen Eier vor dem Schlüpfen der Jungtiere ausgesetzt sind. Sind die Eier männlicher Bartagame – dem Chromosomenpaar nach zu urteilen – nämlich besonders hohen Temperaturen ausgesetzt, so kann es offenbar zu einer Änderung des Geschlechtes, nicht aber des Chromosomenpaares kommen. Es schlüpfen also weibliche Bartagame mit einem ZZ Chromosomensatz.
Was genau hinter diesem Phänomen steckt, ist noch nicht bekannt. Die Tiere können sich jedenfalls ganz normal fortpflanzen und sogar Nachwuchs gebären – allerdings mit einem Haken: Im Zuge des Klimawandels stiegen die Temperaturen im eh schon warmen Australien in den vergangenen Jahrzehnten rasant an und nach jetzigen Prognosen sieht es auch nicht so aus, als würde sich daran bald etwas ändern. Für die Bartagame könnte dies bedeuten, dass immer mehr Weibchen geboren werden, die ein männliches Chromosomenpaar besitzen. Diese weiblichen Bartagame können wie bereits erwähnt Nachwuchs mit einem männlichen Bartagam zeugen – jedoch nur männlichen Nachwuchs, da aus zwei ZZ Chromosomenpaaren auch nur ein weiteres ZZ Chromosomenpaar entstehen kann. Dies könnte sogar so weit gehen, dass es irgendwann zu einem vollständigen Schwund der W-Chromosome bei den Bartagamen kommt.

Wie neueste Forschungen ergeben, können die Temperaturen, denen Bartagamen Eier ausgesetzte sind, große Einwirkungen auf das Geschlecht der Tiere haben.

Warum auf männlich oder weiblich festlegen, wenn auch mehr geht?

Spricht man in der Biologie von sogenannter Zwittrigkeit oder dem Zwittertum, so meint man damit doppelgeschlechtliche Lebewesen – also Lebewesen, die sowohl weiblich als auch männlich sind. Zwittrige Tiere besitzen sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane.

Ein Beispiel hierfür ist der Blutegel. Blutegel sind mit über 600 Arten auf unserer Erde vertreten und existierten schon lange vor den Dinosauriern. Das alleine macht sie also zu einer faszinierenden Tierart. Zudem können medizinische Blutegel auch von Nutzen für uns Menschen sein, denn ihr Speichel wirkt entzündungshemmend, schmerzlindernd und blutverdünnend.

Jeder Egel besitzt sowohl weibliche als auch männliche Geschlechtsorgane und ist somit zwitter. Zur Paarung müssen sich dennoch zwei Tiere zusammentun, was bei manch anderen zwittrigen Tieren nicht der Fall ist, da diese sich selbst befruchten können. Urzeitkrebse bilden hier ein besonders faszinierendes Beispiel. In dieser Art gibt es nämlich sowohl männliche als auch zwittrige Exemplare. Letztere können sich entweder einen männlichen Partner zur Paarung aussuchen oder sich selbst befruchten. Die zwittrigen Exemplare leben in der Regel länger als ihre männlichen Artgenossen.

Auch Regenwürmer, Weinbergschnecken und diverse Fischarten – pun intended – fallen übrigens nicht unter die binäre Kategorie von weiblich oder männlich.

  • https://www.geo.de/natur/tierwelt/13372-rtkl-homosexualitaet-im-tierreich#
  • https://www.zoo.ch/de/zoonews/wenn-tiere-das-geschlecht-wechseln
  • https://www.zoo.ch/de/medien/medienmitteilung/medien-apero-januar-wenn-tiere-das-geschlecht-wechseln
  • https://www.geo.de/mitmachen/frage-des-tages/22538-quiz-frage-des-tages-322020-welches-tier-wechselt-mehrmals-im-leben
  • https://www.welt.de/lifestyle/article5679413/Bonobos-sind-Meister-der-sexuellen-Versoehnung.html#
  • https://mannschaft.com/a/schwule-pinguine-klauen-eier-bei-lesbenpaar
  • https://www.dw.com/de/schwule-lesben-und-bisexuelle-im-tierreich-ganz-normal/a-39966868#
  • https://naturdetektive.bfn.de/lexikon/zum-lesen/sonstiges/fuer-immer-treu.html#
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Hermaphroditismus
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Homosexuelles_Verhalten_bei_Tieren
  • https://de.wikipedia.org/wiki/Europäische_Auster#
  • https://www.abendblatt.de/hamburg-tipps/kinder/kinder/article131960914/Austern-aendern-ihr-Geschlecht.html
  • https://blutegel.de/index.php/blutegel/interessantes
  • https://www.verivox.de/krankenversicherung/themen/blutegeltherapie/#
  • http://www.william-hogarth.de/Zwitter.html#
  • https://fischwissen.ch/de/biologie/sozialsysteme
  • https://www.weltderwunder.de/mannchen-oder-weibchen-bei-reptilien-bestimmt-die-temperatur-das-geschlecht/#
  • https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/bartagamen-geschlechtswandel-bei-echsen#

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