Die Pflanzen auf unseren Feldern haben zunehmend mit Herausforderungen wie Trockenheit, Schädlingen und Pilzen zu kämpfen, die durch den voranschreitenden Klimawandel begünstigt werden.
Stell dir nun vor, du hältst in der Hand, was die nächste Generation von Lebensmitteln prägen könnte: Pflanzen, die nicht nur resistent gegen Krankheiten sind, sondern auch weniger Wasser benötigen und sogar gesünder für uns sind.
CRISPR/Cas9, die moderne “Genschere”, verspricht, unsere Ernährungsweise in der Zukunft radikal verändern und verbessern zu können. Doch während Wissenschaftler:innen begeistert von den Möglichkeiten sprechen, stehen Befürworter und Gegner der Gentechnik einander scheinbar unversöhnlich gegenüber.
Ist die Genschere die Antwort auf unsere drängendsten landwirtschaftlichen Probleme oder ein gefährliches Spiel mit der Natur?
Die Genschere – was ist das eigentlich?
CRISPR, oft zusammen mit Cas9 erwähnt, hat in der Biologie in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erregt. Aber was genau bedeutet das?
Kurz gesagt, mit CRISPR/Cas9 kann man die DNA an einer ganz bestimmten Stelle durchtrennen und gezielt verändern. So lassen sich einzelne Abschnitte der DNA entfernen, austauschen oder ergänzen. Diese Technik funktioniert nicht nur bei Bakterien, sondern auch bei Pflanzen, Tieren und sogar Menschen und wird unter anderem in der Züchtung und der Biotechnologie genutzt.
Das CRISPR/Cas-System basiert auf dem natürlichen Schutzmechanismus von Bakterien gegen Viren. Wenn ein Virus angreift, schneidet ein Protein namens Cas in die Virus-DNA und deaktiviert den Eindringling. Die erhaltenen Bruchstücke speichert das Bakterium dann in einem speziellen Abschnitt seiner DNA, dem sogenannten CRISPR-Bereich, ab. Kommt es zu einem erneuten Angriff desselben Virus, erkennt das Bakterium die Virus-DNA wieder und das Cas9-Protein zerschneidet sie erneut.
Dieses clevere System wurde so angepasst, dass es in jeder Zelle funktioniert; man kann also ganz gezielt bestimmte Abschnitte der DNA herausschneiden, verändern oder neue hinzufügen.
Wie funktioniert das Ganze?
1. Das Ziel finden: Die guide-RNA (eine Art “Sucher”) erkennt die gewünschte DNA-Stelle, die verändert werden soll.
2. DNA schneiden: Das Cas9-Protein, das mit der guide-RNA verbunden ist, schneidet die DNA an dieser Stelle auf.
3. Reparatur: Das Reparatursystem der Zelle tritt in Aktion. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder wird die Stelle zufällig repariert, was oft zu Fehlern führt und das Gen unlesbar macht, oder es wird gezielt eine neue DNA-Sequenz eingefügt und die Operation ist geglückt.
Was macht CRISPR/Cas9 besser als frühere Methoden?
Obwohl es schon andere gentechnische Verfahren gibt, hat CRISPR/Cas9 einige Vorteile. Es ist viel präziser und kann ein bestimmtes Ziel in der DNA schneller und genauer finden. Außerdem ist es leichter anzuwenden und verursacht weniger Fehler, was bedeutet, dass unerwünschte Veränderungen in der DNA seltener vorkommen.
Die Genschere – ein Beitrag zur nachhaltigeren Landwirtschaft
Gentechnik ist eine Methode, um das Erbgut von Pflanzen gezielt zu verändern. Es gibt auch andere Möglichkeiten, die Pflanzen zu verbessern, wie das Kreuzungszüchten oder Zufallsmutationen, bei denen man Saatgut mit Strahlung behandelt, in der Hoffnung, dass dabei nützliche Eigenschaften entstehen.
Im Vergleich dazu ist Gentechnik präziser. Mit dieser Technik kann man exakt bestimmte Gene in der DNA anvisieren und verändern. CRISPR/Cas9 ist ein modernes Verfahren, mit dem man ganz gezielt Mutationen an bestimmten Stellen der DNA auslösen kann, um zum Beispiel vorhandene Eigenschaften zu aktivieren oder zu deaktivieren.
Sind gentechnisch veränderte Pflanzen schädlich?
Es gibt derzeit keine wissenschaftlich begründeten Hinweise darauf, dass moderne Gentechnik Risiken für die Gesundheit oder die Umwelt birgt. Auch in der Natur gibt es Pflanzen, auf die manche Menschen allergisch reagieren, wie Pollen oder Gluten. Auch durch herkömmliche Züchtungen entstehen also Pflanzen, die Abwehrreaktionen des menschlichen Körpers auslösen. Die Risiken der neuen Gentechnik sind daher vergleichbar mit denen herkömmlicher Zuchtmethoden.
Jedes neue Produkt sollte trotz alldem gründlich geprüft werden – sowohl auf seine Auswirkungen auf die Umwelt als auch auf die menschliche Gesundheit hin.
Wie viel Gemüse im Supermarkt ist gentechnisch verändert?
Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, was man unter “Gentechnik” versteht, denn aus biologischer Sicht gibt es kaum eine Pflanze, die nicht vom Menschen beeinflusst wurde.
Durch gezielte Züchtung haben wir über Jahrtausende größere und schmackhaftere Früchte entwickelt. Bei der Mutagenese, die ebenfalls eine Zuchtmethode ist, finden sich im Supermarkt unzählige Beispiele, wie etwa die rotfleischige Grapefruit oder die meisten Hartweizensorten.
Allerdings sind Pflanzen, die mit der Genschere verändert wurden, in der EU bisher nicht im Anbau zugelassen. Es gibt lediglich ein bis zwei gentechnisch veränderte Maissorten, die vor allem in Spanien und Portugal für Futtermittel genutzt werden.
Wie kann grüne Gentechnik zu mehr Nachhaltigkeit beitragen?
Gentechnik ist eine von vielen Methoden, die uns helfen können, eine nachhaltigere Landwirtschaft zu erreichen. Sie kann uns dabei unterstützen, den Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln zu verringern, indem sie Pflanzen widerstandsfähiger gegen Krankheiten und den Befall durch Ungeziefer macht. So können sie den Herausforderungen des Klimawandels besser standhalten, etwa indem sie tiefere Wurzeln bilden und Grundwasser erreichen können, was den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft reduzieren und Ressourcen sparen könnte.
Über die Jahre hat die Menschheit zahlreiche Nutzpflanzen wie die “Triticale” erschaffen, eine Getreideart, die es in der Natur so gar nicht gäbe. Ohne gezielte Züchtung wären weder Pflanzen noch Tiere so gut an unsere Ernährungsbedürfnisse angepasst. Seit Jahrzehnten werden in komplizierten Verfahren Chemikalien und sogar radioaktive Strahlung eingesetzt, um neue Pflanzenarten zu züchten – sowohl in der konventionellen als auch in der Bio-Landwirtschaft. Wo dabei genau die genetischen Veränderungen entstehen, ist oft reiner Zufall. Mit der Genschere hingegen könnte man viel gezielter arbeiten.
Auch wenn weltweit erst wenige mit der Genschere veränderte Nutzpflanzen auf dem Markt sind, wird bereits heiß über ihre Daseinsberechtigung diskutiert.
Die Fronten sind klar: Forscher:innen gegen Gentechnikfrei-Produzent:innen
Es gibt zahlreiche Positionspapiere, die entweder für oder gegen den Einsatz der Genschere in der Landwirtschaft plädieren. 93 europäische Forschungseinrichtungen haben einen offenen Brief verfasst, in dem sie fordern, dass die neuen Züchtungstechniken anders als die klassische Gentechnik behandelt werden sollen und somit weniger streng reguliert.
Unter den Unterzeichner:innen finden sich viele renommierte europäische Universitäten, darunter beispielsweise alleine in Österreich das Gregor-Mendel-Institut, die BOKU, das Austrian Institute of Technology und das Institute of Science and Technology Austria.
Ein weiterer Brief, unterzeichnet von 130 Biowissenschaftler:innen, richtet sich an die deutschen Minister:innen für Forschung und Landwirtschaft. Darin kritisieren sie das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Gentechnik, das ihrer Meinung nach auf veralteten Gesetzen aus den 1990er-Jahren beruht und nicht mehr zeitgemäß sei.
Ganz anders sehen das die österreichische ARGE Gentechnik-frei und der deutsche Verband Lebensmittel ohne Gentechnik VLOG. In einem gemeinsamen Schreiben an die EU-Kommission loben sie das EuGH-Urteil und fordern unter anderem eine Nachweismethode für Produkte, die mit dem neuen Gentechnikverfahren hergestellt wurden, sowie strengere Kontrollen bei Importen.
Viele Unternehmen aus der Lebensmittelbranche unterstützen dieses Schreiben. In manchen heimischen Lebensmittelbranchen ist Gentechnikfreiheit ein wichtiges Verkaufsargument, auch für den Export.
Der Blick in die Zukunft – Die Genschere: unaufhaltbarer Fortschritt?
Es wird heiß diskutiert, ob die Genschere überhaupt in Lebens- oder Futtermitteln nachweisbar sein wird. Davon könnte abhängen, ob genomeditierte Lebensmittel eines Tages unbemerkt nach Europa gelangen.
Bei der klassischen Gentechnik gibt es zusätzliche Gen-Elemente, die man überprüfen kann, was bei der Genschere jedoch nicht der Fall ist. Pflanzen, die durch Genome-Editing verändert wurden, sehen genauso aus wie herkömmlich gezüchtete Pflanzen – was einen physischen Nachweis, insbesondere bei verarbeiteten Lebensmitteln, nahezu unmöglich machen würde.
Nur strenge Zertifizierungen, ähnlich wie bei Bio-Produkten, würde die Verwendung bestimmter Züchtungstechniken entlang der gesamten Produktionskette nachweisbar machen. Eine Aufgabe der Zukunft für die EU, die Nachweisbarkeit der Genschere sicherzustellen.
Bis 2019 gab es noch kein Verfahren, um Pflanzen, die mit der Genschere verändert wurden, zu erkennen. Gleichzeitig kommen die ersten solcher Pflanzen weltweit auf den Markt. Ein Beispiel dafür ist das US-Unternehmen Calyxt, das eine Sojapflanze entwickelt hat, deren Öl durch Genome-Editing gesünder sein soll. Diese Pflanze wird bereits angebaut und verkauft.
Viele Forscher:innen gehen davon aus, dass sich die Technik der Genschere in der weltweiten Landwirtschaft durchsetzen wird. Sollte sie auf anderen Kontinenten erfolgreich und sinnvoll eingesetzt werden, könnte Europa vielleicht ebenfalls überzeugt werden.
Einleuchtend, da die Genschere auch in der Landwirtschaft mit großen Versprechungen verknüpft wird: Pflanzen könnten durch sie widerstandsfähiger gegen den Klimawandel werden, weniger Pflanzenschutzmittel benötigen, frei von bestimmten Allergenen sein, gesünder für den Menschen und umweltschonender. Es gibt sogar die Hoffnung, dass durch ihre Anwendung mehr Menschen ernährt werden könnten, was im Hinblick auf das globale Problem der Überbevölkerung dringend notwendig ist.
Inzwischen herrscht Konsens darüber, dass nicht alle gentechnischen Verfahren gleich zu bewerten sind. So löst die Genschere CRISPR/Ca9 nur gezielte Mutationen aus, ähnlich wie es bei traditionellen Zuchtmethoden geschieht – nur präziser und schneller. Dennoch bleibt das Ergebnis dasselbe.
Es ist gut möglich, dass solche Methoden in Zukunft weniger streng reguliert werden und wir sie häufiger im Einsatz sehen werden. Allerdings werden andere Methoden, bei denen Gene von einer Pflanzenart auf eine andere übertragen werden, vermutlich weiterhin streng überwacht.
Unterm Strich gilt: Es ist entscheidend, dass nicht nur Politik und Wissenschaft Fortschritte erzielen, sondern auch die Gesellschaft aktiv mitzieht.
Dafür sind umfassende Aufklärung und offene Kommunikation wichtig, denn ohne die Akzeptanz der Bevölkerung wird es schwierig, neue Innovationen im Sinne des gemeinsamen Wohlbefindens erfolgreich umzusetzen.
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- Gen-Schere: Heilung der Menschheit oder ethisches No-Go?
- https://web.de/magazine/wissen/wissenschaft-technik/gen-schere-crisprcas9-medizinischer-fortschritt-manipulation-39149540
- https://www.transgen.de/forschung/2794.gentechnik-crispr-wissenschaft.html
- https://www.gmx.at/magazine/wissen/wissenschaft-technik/gen-schere-crisprcas9-medizinischer-fortschritt-manipulation-39149540
- https://www.swr.de/wissen/neues-werkzeug-zur-genveraenderung-kann-mehr-als-crispr-100.html
- https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/crispr-eu-100.html
- https://www.transgen.de/lexikon/1845.crispr-cas.html
- https://www.vfa.de/de/arzneimittel-forschung/medizinische-biotechnologie/hintergrund/genomchirurgie-crispr-cas
- https://www.oeaw.ac.at/news/gentechnik-fuer-eine-nachhaltigere-landwirtschaft
- https://www.landschafftleben.at/hintergruende/genschere