Golfstrom-Kollaps: Droht Europa eine Eiszeit?

13. Januar 2025

Stellt euch vor, die Winter in Skandinavien würden plötzlich um bis zu 30 Grad kälter werden – ein Klimawechsel in einem Tempo, das Menschen und Natur kaum verarbeiten könnten. Währenddessen würden Küstenstädte durch steigende Meeresspiegel bedroht, und in den Tropen könnte sich das empfindliche Gleichgewicht von Regen- und Trockenzeiten verschieben. Der Golfstrom, Europas natürliche Wärmepumpe, schwächelt seit Jahren und droht an einem Kipppunkt zu stehen. Sind wir auf das vorbereitet, was das globale Klimasystem bei einem Kollaps auslösen könnte?

Warum brauchen wir den Golfstrom?

Der Golfstrom im Atlantik funktioniert für Europa wie eine riesige Heizung. Er gehört zu einem riesigen Strömungssystem im Atlantik, das warmes Wasser nach Norden bringt und so für das relativ milde Klima hier in Europa sorgt.

Der Golfstrom ist für das milde Klima bei uns in Europa verantwortlich - er fungiert sozusagen als Heizung

Dieser Strom im Westatlantik ist Teil eines komplexen Geflechts von Meeresströmungen, das in den letzten Jahren erste Anzeichen eines bevorstehenden Kollapses gezeigt hat. Im Süden wird der Golfstrom vom Floridastrom gespeist, während er sich im Norden mit dem kalten Labradorstrom vor Neufundland vermischt und in verschiedene Äste aufteilt. Einer dieser Äste, der Nordatlantikstrom, bringt warmes Wasser aus dem Golf von Mexiko bis an die Küsten Europas und sorgt so für milde klimatische Bedingungen.

Der Antriebsmotor des Golfstroms – die thermohaline Zirkulation

Angetrieben wird der Nordatlantikstrom von der sogenannten „thermohalinen Zirkulation“: Auf seinem Weg nach Norden kühlt das Wasser aufgrund der kälteren Temperaturen der höheren Breitengrade ab, ein Teil verdunstet, und der Salzgehalt steigt infolgedessen. Dadurch wird das Wasser schwerer und sinkt ab in die Tiefe – dieser Vorgang wird als Konvektion bezeichnet.
In der Tiefe fließt es dann zurück in den Süden Richtung Äquator bis ins Südpolarmeer und zieht neues, warmes Oberflächenwasser nach, welches sich erneut Richtung Norden bewegt.
Dieses System wird auch als Atlantische Umwälzbewegung (AMOC, Atlantic Meridional Overturning Circulation) bezeichnet.

Da warmes Wasser nach Norden fließt und kälteres Wasser in der Tiefe südwärts strömt, funktioniert das Strömungssystem wie eine gigantische Heizung: Die Wärme sorgt im nördlichen Atlantik für ein mildes Klima, vor allem im Nordwesten Europas, da das Wasser Wärme an die Luft abgibt. Aber das System beeinflusst nicht nur das Klima – es spielt auch eine Rolle beim Meeresspiegel, besonders an der Ostküste der USA, und hat sogar Auswirkungen auf den Monsun in Asien.

Ein gestörtes Gleichgewicht

Schmelzende Gletscher stören das Gleichgewicht der Atlantischen Umwälzbewegung

Was passiert nun, wenn zusätzliches Süßwasser, zum Beispiel aus schmelzenden Gletschern in Grönland, ins Atlantiksystem fließt? Schon seit langem ist durch Studien bekannt, dass die Strömungen im Atlantik empfindlich auf große Mengen Süßwasser an der Oberfläche reagieren.

Ein Forschungsteam um Christopher Piecuch von der Woods Hole Oceanographic Institution und Lisa Beal von der University of Miami hat herausgefunden, dass die Wassermenge, die durch die Straße von Florida (Floridastrom) fließt, in den letzten vierzig Jahren um etwa vier Prozent abgenommen hat.
Die Meerenge von Florida, die zwischen den Florida Keys, Kuba und den Bahamas liegt, wird bereits seit Jahrzehnten wissenschaftlich beobachtet. Dank dieser umfassenden Datensammlung konnte das Team speziell für die letzten zehn Jahre einen deutlichen Trend feststellen.
Während es Anfang des 20. Jahrhunderts noch über 33 Millionen Kubikmeter pro Sekunde waren, liegt der Wert seit 1982 bei durchschnittlich 31,8 Millionen Kubikmetern pro Sekunde – ein Rückgang um 1,7 Millionen Kubikmeter.

Die Wissenschaftler:innen sehen darin eine bedeutende Veränderung, die nicht durch natürliche Schwankungen alleine erklärt werden kann, auch wenn unklar bleibt, welche Folgen das langfristig haben könnte. Der Golfstrom und die Strömungen, die mit ihm verbunden sind, spielen eine wesentliche Rolle für das Klima der Erde – sie beeinflussen extreme Wetterereignisse, Durchschnittstemperaturen und Niederschläge auf globaler Ebene.

Der Rückgang des Floridastroms lässt sich nicht durch natürliche Schwankungen erklären

Ursachen für die Verlangsamung

Die Atlantische Umwälzströmung wird durch Unterschiede in der Wasserdichte angetrieben. Einfach gesagt, wird das Wasser in den Polarregionen besonders dicht, weil es kalt und salzhaltig ist. Dadurch sinkt es nach unten und sorgt so für Bewegung.

Die Erderwärmung wirkt jedoch wie eine Bremse auf dieses System. Einerseits steigen die Temperaturen des Oberflächenwassers im hohen Norden, andererseits gelangt durch schmelzende Eisschilde mehr Süßwasser ins Meer. Das verringert den Salzgehalt und damit die Dichte des Wassers im Norden. Beide Effekte schwächen den Antrieb der AMOC. Im schlimmsten Fall verstärken sich diese Prozesse so weit, dass das gesamte Strömungssystem kollabieren könnte.
Das würde den Wärmetransport nach Europa stören und blockieren.

Die möglichen Folgen

Wenn diese Wärmepumpe zusammenbricht, hätte das mit großer Wahrscheinlichkeit drastische Folgen für das globale Klima, vor allem aber für Europa. Ein Blick in die Klimageschichte zeigt, dass ein Kollaps des atlantischen Strömungssystems vor etwa 12.000 Jahren eine Kälteperiode ausgelöst hat, die rund 1.000 Jahre anhielt.

Heute warnen Forschende, dass wir erneut auf einen solchen Kipppunkt zusteuern könnten, jedoch unter ganz anderen Bedingungen: Anders als früher wird der Golfstrom diesmal durch die von Menschen verursachte Erderwärmung geschwächt.

Expert:innen sprechen dabei von einem „Kipppunkt“ – einer Schwelle, ab der die Amoc-Strömung innerhalb weniger Jahrzehnte stillstehen und sich nicht mehr erholen könnte, selbst unter optimalen Voraussetzungen.

Die Hinweise mehren sich, dass dies nicht nur möglich, sondern zunehmend wahrscheinlich wird. Niederländische Wissenschaftler:innen veröffentlichten dazu eine Studie, in der sie zeigen, dass die Amoc in komplexen Klimamodellen unter bestimmten Bedingungen tatsächlich zusammenbrechen kann. Fachleute bewerten die Arbeit als fundiert, obwohl einige Annahmen der Forscher umstritten sind.

Die niederländische Gruppe stellte zudem ein Frühwarnsystem vor, das darauf hindeutet, dass die Nordatlantikströmung sich auf einen Kipppunkt zubewegt. Laut ihren Analysen könnten die Folgen gravierend sein: Die Durchschnittstemperatur könnte in Teilen Europas innerhalb von 100 Jahren um mehrere Grad fallen – in manchen Regionen sogar um bis zu 15 Grad.

Kalte Winter und schnellere Erwärmung

Das Kippen des Golfstroms hätte kältere Winter in Europa zur Folge

Besonders betroffen wären dabei die Winter im Nordwesten Europas, mit einem Temperaturabfall von fünf bis acht Grad Celsius. Die Jahresmitteltemperaturen ohne Golfstrom könnten insgesamt um bis zu 15 Grad abkühlen.
In Skandinavien beispielsweise könnte ein schneller und drastischer Temperaturabfall von bis zu 30 Grad Celsius zu einem völlig veränderten Winterklima führen – und das so rasant, dass die Natur und Menschen sich kaum anpassen könnten. Innerhalb von wenigen Jahrzehnten wäre dort ein völlig anderes Klima spürbar. Gleichzeitig könnte es weniger Niederschläge geben.

Gleichzeitig könnte es in anderen Regionen zu einer beschleunigten Erwärmung kommen. Für den Amazonasraum beispielsweise zeigt das Modell drastische Änderungen bei den Niederschlägen. Regen- und Trockenzeiten könnten sich umkehren, was dem empfindlichen Ökosystem erheblich schaden würde. Der Regenwald, der ohnehin bereits unter Stress steht, könnte dadurch einen Punkt erreichen, an dem er irreversibel kippt.

Weiterhin wird ein Meeresspiegelanstieg um bis zu einen Meter in Europa durch den abrupten Zusammenbruch der Ozeanzirkulation prognostiziert, was viele Küstenstädte bedrohen würde.
Sogar auf globaler Ebene wären deutlich stärkere Temperaturschwankungen zu erwarten.

Der Blick in die Zukunft - Schwächste Strömung seit 1000 Jahren

Für den Klimaforscher Baehr ist der sechste Bericht des Weltklimarates (IPCC) entscheidend für die Einschätzung der Zukunft des Stroms. Dort ist dokumentiert, dass die Atlantische Umwälzströmung (AMOC) im 21. Jahrhundert sehr wahrscheinlich weiter schwächer wird – unabhängig davon, wie viel Klimaschutz betrieben wird. Trotzdem sei man sich ziemlich sicher, dass es vor 2100 nicht zu einem kompletten Zusammenbruch kommen wird.

Aber: Die AMOC ist jedoch nicht das einzige System, das als sogenanntes „Kippelement“ gilt. Der „Global Tipping-Points Report“ hob Ende letzten Jahres fünf große Natursysteme hervor, die vor möglicherweise unumkehrbaren Veränderungen stehen. Im Detail ist es jedoch sehr schwierig zu sagen, wie nah ein Kippelement wirklich am Umkippen ist, weil zu viele Faktoren hineinspielen.

Bezogen auf die AMOC ist unklar, wie viel zusätzliches Süßwasser tatsächlich in den Nordatlantik gelangt, wenn die Temperaturen weiter steigen – sei es durch das Schmelzen der Polkappen, verstärkten Flusseintrag oder mehr Regen. Dabei ist weiterhin wichtig, wo genau dieses Süßwasser einfließt.
Andererseits gibt es jedoch auch die Sorge, dass die Modelle die Stabilität der AMOC überschätzen. Derzeit ist die Strömung so schwach wie in den letzten 1000 Jahren nicht mehr.

Eins ist klar: Das Risiko eines Kollapses muss unbedingt minimiert werden. Denn wenn eindeutige Warnsignale auftauchen, könnte es bereits zu spät sein, um zu handeln.

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