Weichmacher im Urin von Kindern - wie geht es nun weiter?

03. März 2024
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In einer Pressemitteilung vom 31. Januar 2024 informierte das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) über eine erschreckende Entdeckung: Die Urinproben junger Kinder waren belastet mit den Rückständen eines bestimmten gesundheitsschädigenden Weichmachers. Wir klären darüber auf, worum es sich dabei handelt und wie nun weiter verfahren wird.


Um welchen Weichmacher geht es?

In einer seiner regelmäßig durchgeführten Human-Biomonitoring (HBM) Untersuchungen stieß das LANUV 2023 auf die Belastung von Kinderurin mit Mono-n-hexyl-Phthalat (MnHexP). Dieses kann im Körper als Abbauprodukt (Metabolit) des Di-n-hexyl-Phthalats (DnHexP) entstehen. DnHexP sind Phthalate, eine Gruppe chemischer Verbindungen, die hauptsächlich als Weichmacher (in der Produktion) fungieren.
Weichmacher wie DnHexP werden für Kosmetikprodukte, Lebensmittelverpackungsmaterialien oder auch in der Kunststoffherstellung eingesetzt, um Kunststoffprodukten, wie beispielsweise Spielzeug, bestimmte Eigenschaften zu verleihen – um sie beispielsweise elastischer, biegsamer oder weicher werden zu lassen. Phthalate sind jedoch nicht fest an das Material ihres Produktes gebunden und können sich daher herauslösen.

Gesundheitliche Risiken

Bereits 2013 wurde DnHexP im Zuge der EU-Chemikalienverordnung REACH-VO als ein besonders besorgniserregender Stoff eingestuft, da es sich hierbei den Ergebnissen von Tierversuchen zufolge um einen fortpflanzungsschädigenden Stoff handelt, der besonders auf die Fortpflanzungsorgane männlicher Föten im Mutterleib Einfluss nimmt. Jedoch nicht nur die Gesundheit eines Fötus ist gefährdet; Wissenschaftler:innen vermuten sogar, dass der Stoff auch bei Erwachsenen Stoff das Risiko für Diabetes, Bluthochdruck und Fettleibigkeit erhöhen kann.
Aufgrund dessen ist der Stoff eigentlich – sofern keine Zulassung erfolgte – in der EU seit 2023 verboten.

Wie gelangt der Stoff in den Körper?

Bisher ist noch nicht eindeutig erwiesen, auf welchem Wege der Stoff überhaupt in die Körper der untersuchten Kinder gelangt ist. Die Umweltbundesamt-Toxikologin Marike Kolossa-Gehring spricht jedoch von bestimmten Kosmetika – insbesondere Sonnencreme – als mögliche Quelle der Schadstoffbelastung.

Wie kommt dieser Weichmacher trotz Verbotes nach Europa?

Nach wie vor lässt sich schwer bestimmen, auf welche Weise dieser Weichmacher trotz des bestehenden Verbots nach Europa gelangen konnte. Dennoch existieren bisher einige plausible Theorien, die Erklärungsansätze liefern:
Beispielsweise könnte der Stoff durch DnHexP-haltige Importzeugnisse eingeführt worden sein, da diese keiner EU-weiten Zulassungspflicht unterliegen.
Des Weiteren könnte der Stoff außerdem in alten Kosmetika wie Sonnencremes oder Ähnlichem enthalten sein, die vor Erlassung der Beschlüsse der Europäischen Union hergestellt worden sind.
Ebenso könnte auch der schnell anwachsende und schwer kontrollierbare Online-Handel eine Rolle in der Einfuhr des Weichmachers spielen, da besonders online erworbenes Spielzeug eine hohe Konzentration an Weichmachern, krebserregenden Nitrosaminen sowie hormonell schädlichem Bisphenol A enthalten kann – wie eine BUND-Marktrecherche von 2023 berichtet.
Darüber hinaus sind Sonnenschutzmittel in deutlich mehr Produkten zu finden, als vielen Menschen bewusst sein dürfte: selbst in davon unabhängigen Produkten für die Haut- oder Gesichtspflege – wie z.B. Nachtcremes – finden sich immer wieder Sonnenschutzmittel.

Wie geht es jetzt weiter?

Grundsätzlich stieg die Menge an Weichmachern in Urinproben laut LANUV im Laufe der Jahre immer weiter an. So fanden Forscher:innen 2015 kaum Weichmacher in Urinproben, doch 2017 und 2018 lagen die Werte laut Kolossa-Gehring bereits bei 26%.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie es weitergehen soll und was gegen diese besorgniserregende Entwicklung unternommen werden kann.

Zuerst sollen weitere Messungen durchgeführt werden, um sich des vollen Ausmaßes der Schadstoffbelastung bewusst werden zu können.
Beispielsweise möchte die Kommission Human-Biomonitoring des Umweltbundesamtes sich gezielt mit der Datenlage zu Mono-n-hexyl-Phthalat auseinandersetzen und im besten Falle toxikologische Beurteilungswerte (HBM-Werte) ableiten, um die genaue Gesundheitsrelevanz beurteilen zu können.
Außerdem wird derzeit die bisher sechste Deutsche Umweltstudie des Umweltbundesamtes zur Gesundheit (GerES VI) durchgeführt, bei der Erwachsene zwischen 18 und 79 Jahren untersucht werden sollen. Im Zuge dieses Human-Biomonitoring (HBM)-Programms soll besonders die MnHexP Belastung unter die Lupe genommen und beurteilt werden. Die bisher erhobenen Ergebnisse sprechen von Rückständen von MnHexP in ganzen 37% der bislang untersuchten Urinproben. Diese Ergebnisse sollen den Angaben des Umweltbundesamtes zufolge momentan mit der EU-Behörde gemeinsam analysiert werden. Man rechnet mit einer Bekanntgabe der kompletten Ergebnisse der Studie im nächsten Jahr.
Ebenso sollen Proben aus der Umweltdatenbank auf die Verbindung mit Weichspülern getestet werden, um einen möglichen zeitabhängigen Trend der Belastung identifizieren zu können.

Im Übrigen wird trotz Sonnencremes als möglicher Ursprung des Weichspülers in unseren Körpern davon abgeraten, auf Sonnenschutzmittel zu verzichten, da der Schutz vor UV-Strahlung besonders in den Sommermonaten nicht zu vernachlässigen ist!

Wer im Allgemeinen auf Nummer sicher gehen möchte hinsichtlich hormoneller Schadstoffe, PFAS, Nanopartikel, Mikroplastik sowie flüssigen Kunststoffen, die in bestimmten Produkten enthalten sein könnten, der kann sich die kostenlose BUND-ToxFox-App herunterladen, und kann damit Produkte nach diesen Schadstoffen scannen.

  • https://www.umweltbundesamt.de/themen/fund-eines-weichmachers-in-urinproben-fragen
  • https://www.fr.de/verbraucher/produkt-gesundheit-weichmacher-verboten-urin-umweltbundesamt-hinweise-ursprung-kosmetik-92823774.html
  • https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/weichmacher-urin-kinder-sonnencreme-umweltbundesamt-100.html
  • https://www.br.de/nachrichten/wissen/verbotener-weichmacher-im-urin-woher-kommt-die-chemikalie,U4A2VnU
  • https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/gefaehrliche-weichmacher-urin-umweltbundesamt-sonnencreme100.html
  • https://www.bund.net/themen/aktuelles/detail-aktuelles/news/weichmacher-gefaehrliches-hormongift-im-urin-vieler-menschen-entdeckt/
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