Vermeidbarer Lebensmittelabfall in Deutschland: Ein Luxusproblem?

Juli 2023
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Lebensmittelverschwendung ist ein drängendes Problem, das erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, die Wirtschaft und die Gesellschaft hat. In Deutschland landen jedes Jahr satte und schreibe 12 Mio. Tonnen Lebensmittel in den Müll, von denen ein großer Teil vermeidbar ist. Während viele Essen leichtfertig wegschmeißen, sehen sich andere dazu gezwungen, in Containern nach Lebensmitteln zu wühlen. Haben wir es mittlerweile mit einem Luxusproblem zu tun?

Erfahrt hier mehr über die Zahlen, Ursachen und Ausmaße des vermeidbaren Lebensmittelabfalls in Deutschland und wie WWF mit dem Straßenfest “Restlos genießen” am 12.07.23 in Berlin hinsichtlich der Problematik aufmerksam machen will!

Zahlen und Fakten

Eine Untersuchung des größten deutschen Marktforschungsinstitutes Gfk vom September 2021 zeigt, dass 86 % der befragten Haushalte Lebensmittel wegwerfen, die tatsächlich noch genießbar gewesen wären. Ein großer Teil dieser stellt sogenannten Vermeidbaren Lebensmittelabfall dar. Damit sind laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Lebensmittel gemeint, die bei “rechtzeitigem Verzehr genießbar gewesen [wären]”.

Nach folgenden Daten der GfK betrugen diese für Privathaushalte allein im Jahre 2020 ca. 1.865 Tonnen (bei einer Gesamtmenge von ca. 4.606 Tonnen Lebensmittelabfällen)!

Folgende Grafik zeigt, welche Lebensmittelgruppen sich dabei prozentual beteiligen:

Daten des Systematische Erfassung des Lebensmittelabfalls der privaten Haushalte in Deutschland - Schlussbericht 2020 von GfK SE; Basis: Lebensmittelabfälle Jamuar bis Dezember 2020; eigene Darstellung

Obst und Gemüse bilden mit 34,9% den größten Anteil an vermeidbaren Lebensmittelabfällen, gefolgt von zubereiteten Mahlzeiten sowie Brot und Backwaren. Um diese Tendenz wieder umzukehren, ist es notwendig, nachhaltig und bedacht mit unseren Lebensmitteln umzugehen. Unser Konsumverhalten gibt den Ausschlag.

Wie unser Konsumverhalten zur Lebensmittelverschwendung beiträgt

Die Gründe für Lebensmittelverschwendung sind vielfältig, doch viele davon sind eng mit unseren Konsumgewohnheiten verbunden. Lebensmittel sind für uns nicht mehr das, was sie einst waren: Überfluss und ein zu hoher Anspruch dominieren die Nachfrage seitens der Verbraucher:innen, auf welche die Lebensmittelindustrie ihr Angebot in einem schier unendlichen Wettbewerb der Konzerne abstimmt.

Eine große Auswahl verlockt gerade dazu, Impulskäufe zu tätigen.

Übermäßiger Lebensmitteleinkauf:

Ein Hauptfaktor für die Lebensmittelverschwendung ist der übermäßige Einkauf von Gütern. Wir Verbraucher neigen dazu, mehr einzukaufen, als wir tatsächlich benötigen, sei es aus Bequemlichkeit oder aufgrund von Werbeangeboten und Sonderaktionen. Das führt dazu, dass Lebensmittel häufig ungenutzt im Kühlschrank oder Vorratsschrank liegen bleiben und letztendlich verderben. Wer beim Einkaufen strukturiert vorgeht, vermeidet dies und spart am Ende auch noch Geld!

Fehlende Wertschätzung von Lebensmitteln:

Unser Konsumverhalten hat oft zur Folge, dass wir Lebensmittel nicht ausreichend wertschätzen. Die heutige Wegwerfkultur und der hohe Standard, den wir an die Qualität und das Aussehen von Lebensmitteln anlegen, führen dazu, dass viele essbare Lebensmittel aussortiert und weggeworfen werden, nur weil sie nicht perfekt geformt sind oder das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Dadurch gehen wertvolle Ressourcen verloren.

Zu große Portionen und Essensreste:

Unsere Vorliebe für große Portionen und das Zurücklassen von Essensresten tragen ebenfalls zur Lebensmittelverschwendung bei. Oftmals bestellen wir mehr, als wir tatsächlich essen können, sei es im Restaurant oder beim Imbiss. Die nicht verzehrten Reste landen dann im Müll. Gleiches gilt für zu Hause, wo übrig gebliebene Speisen häufig entsorgt werden, anstatt sie zu verwerten oder aufzubewahren.

Falsche Lagerung und Handhabung:

Unser mangelndes Wissen über die richtige Lagerung und Handhabung von Lebensmitteln kann ebenfalls zur Verschwendung beitragen. Wenn wir Lebensmittel nicht richtig kühlen, verderben sie schneller. Auch das weit verbreitete falsche Verständnis von Mindesthaltbarkeits- und Ablaufdaten führt dazu, dass wir Lebensmittel vorzeitig wegwerfen, obwohl sie noch genießbar sind.

Wir werfen weg, andere wühlen in Containern

Viele Lebensmittel die von Supermärkten weggeschmissen wurden, sind immer noch genießbar.

Containern ist eine Praxis, bei der Menschen Lebensmittel, die von Supermärkten oder anderen Einzelhändlern weggeworfen wurden, aus Müllcontainern oder Abfallbehältern bergen. Ziel dieser Aktion ist es, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren und Ressourcen zu schonen, indem noch genießbare Lebensmittel vor der Entsorgung gerettet werden.

In Deutschland hat das Containern eine gewisse Bekanntheit erlangt und wird von einigen Menschen als Akt “ziviler Rebellion” betrachtet, der auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam machen soll. Dennoch gibt es auch Menschen in Armut, die gezwungenermaßen das Containern als eine Möglichkeit sehen, an Nahrung zu gelangen.

Der rechtliche Status des Containerns in Deutschland ist schon lange umstritten. Während einige argumentieren, dass es sich dabei um Diebstahl handelt, betrachten andere es als notwendige Aktion, um die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Aktuellen Berichten 2023 zufolge fordern Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen), dass das Bergen genießbarer Lebensmittel aus Abfallcontainern der Supermärkte bald straffrei sein soll, sofern kein Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung besteht.

Ob die Vorschläge Özdemirs und Buschmanns durchgesetzt werden, wird die Zukunft zeigen. Doch nach wie vor bleibt das Containern illegal und kann zu rechtlichen Konsequenzen führen. Individuen setzen sich dem Risiko aus, wegen Diebstahls und Hausfriedensbruchs verurteilt zu werden, da die Lebensmittel bis zur Abholung durch den Müllwagen immer noch im Besitz des Eigentümers sind. Darüber hinaus befinden sich die Container oft auf privatem Grundstück und sind verschlossen. Es können Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen verhängt werden.

WWF sensibilisiert: Das Straßenfest Restlos genießen am 12. Juli in Berlin

Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen und Initiativen, die darauf abzielen, die Lebensmittelverschwendung zu verringern. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene werden Maßnahmen ergriffen, um das Bewusstsein für dieses Problem zu schärfen und Lösungen zu finden.

Das Straßenfest Restlos genießen findet am 12. Juli in Berlin, Frankenstraße statt.

Auch WWF trägt seinen Teil dazu bei und unterstützt mit seinem Aktionstag gegen Lebensmittelverschwendung: Das Straßenfest Restlos Genießen am 12. Juli bietet ein umfassendes Programm rund um das Thema Nachhaltigkeit, Lebensmittelverschwendung und wie wir dagegen vorgehen können.

Ebenso wird das Ganze begleitet von..

  • interaktiven Aktionsangeboten
  • Kochworkshops
  • spannenden Bühnenauftritten
  • kostenfreies Abendessen aus geretteten Köstlichkeiten
  • Lebensmittel-Großverteilung

Hier erfahrt ihr mehr zum Event!

Die Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung erfordert eine gemeinsame Anstrengung von Produzenten, Einzelhändlern, Verbrauchern und Regierungen. Indem wir unser Konsumverhalten überdenken, Lebensmittel wertschätzen und effektive Maßnahmen unterstützen, können wir dazu beitragen, diese Verschwendung zu reduzieren und eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen.

Das könnte euch auch interessieren:

  • Wer wirft die meisten Lebensmittel weg? - quarks.de, abgerufen am 04.07.23
  • Lebensmittelverschwendung: Essen für die Tonne - das muss nicht sein | Nachhaltigkeit | Umwelt | Verstehen | ARD alpha, abgerufen am 04.07.23
  • 12. Juli: WWF-Event gegen Lebensmittelverschwendung | WWF, abgerufen am 04.07.23
  • Systematische Erfassung des Lebensmittelabfalls der privaten Haushalte in Deutschland (bmel.de), abgerufen am 04.07.23
  • Minister Özdemir fordert Straffreiheit für "Containern" | BR24, abgerufen am 04.07.23
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