Die mongolische Bevölkerung, immerhin 3,3 Millionen Menschen, steht einer ungewissen Zukunft gegenüber. Rund 75 Millionen Herdentiere, also Rinder, Ziegen, Schafe, Kamele, Pferde und Yaks streifen hier jedes Jahr durch die Steppe. Obwohl die Anzahl der verschiedenen Herden sinkt, werden sie selbst immer größer. Vor einem Jahrzehnt wurde die Herdenzahl noch auf 50 Millionen geschätzt. Das Land kann zwar noch die stetig wachsende Population versorgen, doch der Boden verarmt zunehmend und liefert immer weniger Nährstoffe. In diesem Artikel erklären wir, was der Klimawandel damit zu tun hat.
Wetterextreme im Winter 2023/24
Extreme Kälte und heftige Schneefälle haben den Hirten in der Mongolei in den letzten Jahren massive wirtschaftliche Einbußen beschert. Laut staatlicher Notstandskommission sind bereits über 1,5 Millionen Tiere in diesem Winter verendet. Diese Schnee- und Eisstürme, die das Land während der Wintermonate wiederholt heimsuchen werden, bezeichnen die Einheimischen als "Dzud" . Sie bringen Eis und dicken Schnee, während Sandstürme die Hirten und ihre Herden in den übrigen Jahreszeiten heimsuchen.
Das Wetterphänomen führt dazu, dass das Vieh aufgrund gefrorener Böden oder verschneiter Weiden kein Futter mehr findet. Temperaturen von -35°C sind hier keine Seltenheit. Besonders hohe Verluste treten oft auf, wenn ein trockener Sommer vorausgegangen ist und die Tiere nicht genug Fettreserven für den Winter aufbauen konnten.
Die Vereinten Nationen haben bereits vor dieser Situation gewarnt. Die Viehzucht ist ein essentieller Bestandteil der mongolischen Wirtschaft, Kultur und Lebensweise. Die Hirten stehen nun vor einem Mangel an Futter aus der Natur und gleichzeitig explodierenden Preisen für importiertes Tierfutter. Dies ist bereits der zweite aufeinanderfolgende "Dzud"-Winter für das Land und die Häufigkeit von lebensbedrohlichen Eisstürme nimmt immer weiter zu. Früher kamen sie alle 10 bis 12 Jahre, jetzt treten sie immer häufiger auf. Zwischen 1999 und 2002 wurden 3 Stürme registriert, bei denen 11 Millionen Tiere starben. Weitere Katastrophen folgten 2010 und im Winter 2016/17. Ein gewaltiger Sandsturm im Jahr 2020 trocknete die Böden aus und kostete Millionen Tieren das Leben.
Erst Schneesturm, dann Dürren
Der globale Klimawandel verschärft auch lokale Probleme, wie etwa die Überweidung und den rücksichtslosen Bergbau. Die Auswirkungen sind deutlich spürbar: Die Steppe trocknet aus, und die Nahrungsversorgung für Nutztiere wird immer schwieriger.
Das Land besteht größtenteils aus Weideland, das traditionell für die Viehzucht bewirtschaftet wird. Doch dieses Ökosystem ist bedroht. Die Wüstenbildung (Desertifikation), insbesondere in der Gobi-Wüste, breitet sich rasant aus und verschlingt immer größere Weideflächen. Gleichzeitig beschleunigt sich die Erderwärmung in der Mongolei, was zu unregelmäßigen Niederschlägen führt und die Trockenheit weiter verstärkt.
Das Mongolische Plateau
Auch das Mongolische Plateau sieht sich einer bedrohlichen Austrocknung gegenüber. Eine Studie aus den "Proceedings der US-nationalen Akademie der Wissenschaften" (PNAS) warnt vor dem raschen Verschwinden der Seen in dieser Hochebene, die über die Mongolei und die Innere Mongolei in China verläuft.
Hauptursachen dafür sind der rücksichtslose Bergbau und die gewinnorientierte Landwirtschaft. Diese Entwicklung könnte katastrophale Auswirkungen auf die gesamte Region haben.
Das Mongolische Plateau ist eines der größten Asiens, umfasst etwa 2,75 Millionen Quadratkilometer und ist damit fast achtmal so groß wie Deutschland. Die trockene Region ist von zahlreichen Seen durchzogen und von Grassteppen umgeben, die die traditionelle Lebensgrundlage für die nomadische Bevölkerung und ihre Herden darstellen und wichtige Lebensräume für wilde Pflanzen und Tiere bieten.
Der Bergbau ist ein entscheidender Faktor bei der Zerstörung großer Teile der Landschaft, da er die Wälder und Flussbetten beseitigt und enorme Mengen an Wasser verbraucht, das dann den Weiden fehlt. Die reichen Bodenschätze der Mongolei locken zwar Investoren an, aber ihr Abbau verschärft die Umweltprobleme des Landes.
Das Plateau ist mittlerweile eine der Hauptquellen von Sand- und Staubstürmen, die über den Norden Chinas hinwegziehen und sogar Material bis nach Nordamerika tragen.
Eine Untersuchung des Austrocknungsgrads basierend auf Satellitenaufnahmen, ergab einen drastischen Rückgang der Seen seit den späten 1980er Jahren. Nicht nur der Bergbau, sondern auch die Bewässerung für die Landwirtschaft trägt zum Absinken des Grundwasserspiegels und einem rapiden Verlust der Seen bei.
Trotz Umweltgesetzen zur Renaturierung bleibt die Umsetzung oft das Problem, da der politische Wille aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Bergbaus fehlt. Es wird prognostiziert, dass sich dieser Trend in den kommenden Jahrzehnten weiter verstärken wird, was zu einer weiteren Verschärfung der Austrocknung und zunehmenden verheerenden Sand- und Staubstürmen führen wird.
Das Darvi-Gebirge: Herrschaftsgebiet der Schneeleoparden
Im äußersten Westen der Mongolei erstreckt sich das Darvi-Gebirge als Teil des Altai-Gebirges, das teilweise über 4.000 Meter hoch ist und als Weltnaturerbe gilt. Diese felsigen, schneebedeckten Berge sind das Zuhause der Schneeleoparden.
Während des Herbstes und des Frühjahrs ziehen Hirtenfamilien mit ihrem Vieh in die Berge und Bergtäler von Darvi, um dort vor den eisigen Winterwinden der Ebenen geschützt zu sein. Aufgrund der zunehmenden Herdengröße verlieren sie jedoch immer wieder Nutztiere, wie Ziegen und Schafe, an Schneeleoparden, was zu Spannungen zwischen den Hirten und den Großkatzen führt.
In der Mongolei beherbergt das Land nach China die zweitgrößte Population von Schneeleoparden, was seine Bedeutung für den Schutz dieser gefährdeten Art unterstreicht. Doch wenn die Raubkatzen Nutzvieh angreifen, riskieren sie, aus Angst und Rache getötet zu werden.
Seit 2019 werden Hirtenfamilien in dieser Region mit Hütehunden unterstützt, um den Druck auf die Schneeleoparden zu verringern - mit Erfolg! Die mongolische Landesrasse, der Bankhar, ist auch unter dem Namen Mongolischer Mastiff bekannt . Diese Hunde sind besonders gut an die Umweltbedingungen angepasst. Die imposanten und kräftigen Bankhars bleiben selbst bei extremen Temperaturen aktiv und können ihre Herde verteidigen.
Bankhar in der Tradition als Schutz- und Familienhund
Früher waren diese großen Hunde in der Mongolei ein integraler und hoch geschätzter Bestandteil des nomadischen Hirtenlebens. Die Nomadenfamilien glaubten sogar, dass die Bankhars nach ihrem Tod als Menschen wiedergeboren werden könnten und umgekehrt.
Während der sozialistischen Ära wurde die Haltung der Bankhar-Hunde jedoch als zu aufwendig betrachtet, und es gab Bedenken bezüglich der Übertragung von Krankheiten. Inzwischen haben sich einheimische Organisationen dem Schutz der Bankhar-Hunde vor dem endgültigen Aussterben verschrieben. Bankhars sind von Natur aus Hütehunde, die für ihre Loyalität und ausgeprägten Schutzinstinkte bekannt sind. Insbesondere ihr kraftvolles Bellen wirkt auf Raubtiere wie Wölfe und Schneeleoparden einschüchternd.
Die Übergabe der Tiere an die Hirtenfamilien erfolgt feierlich, bei einer Zeremonie, in der die Familien den Welpen als neues Mitglied ihrer Gemeinschaft willkommen heißen. Mehr als zwei Drittel der Hirtenfamilien in Darvi hat mittlerweile Bankhar-Welpen erhalten. Die Hunde wachsen und gedeihen, und ihre Vermehrung ermöglicht es, weitere Familien mit ihnen zu versorgen. Die Bankhars geben ihren Besitzern ein Gefühl der Sicherheit und haben seit Beginn des Projekts signifikant dazu beigetragen, den Verlust von Vieh durch Schneeleoparden zu reduzieren.
Klimaschutz in der Mongolei - Ein Pionierprojekt
Ein innovatives Projekt der Plan Vivo Foundation arbeitet nun mit mongolischen Nomaden in den Bergen und Steppen zusammen. Das Hauptziel ist die Wiederherstellung des Ökosystems und die CO₂-Aufnahme in stark degradierten Weidelandbereichen. Um die Hauptursache der Degradierung, die Überweidung, zu bekämpfen, werden die Land- und Herdenbewirtschaftung verbessert, Wildtierarten und Habitate geschützt und alternative Einkommensquellen geschaffen. Mehr als 100 Hirtenhaushalte in verschiedenen mongolischen Regionen sind in das Projekt einbezogen.
Verschiedene Maßnahmen werden ergriffen, darunter Direktzahlungen für Ökosystemdienstleistungen an die Hirten, um Anreize für verbessertes Landmanagement zu schaffen. Das Projekt unterstützt auch die Stärkung traditioneller Hirtengruppen, um Ressourcen und Kompetenzen zu bündeln und die Lebensqualität der Hirten zu verbessern. Hirten werden ebenfalls eingebunden, um Lebensräume und wichtige Wildtierarten zu schützen, und zusätzliche Maßnahmen wie lizenzierte Holzgewinnung und Biodiversitätsstudien werden umgesetzt.
Dieses Projekt wurde nach einem Forschungsprojekt der Universität Leicester ins Leben gerufen und wird in Zusammenarbeit mit der Mongolian Society for Range Management durchgeführt. Die MSRM ist eine international anerkannte NGO, die seit 2007 in diesem Bereich tätig ist.
- https://www.sueddeutsche.de/wissen/klima-extremwinter-in-mongolei-mehr-als-1-5-millionen-tiere-tot-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-240226-99-125444
- https://www.nzz.ch/gesellschaft/ueberlebenskampf-in-der-mongolischen-steppe-ld.1710913
- https://www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article137137487/Riesiges-Gebiet-in-der-Mongolei-droht-auszutrocknen.html
- https://www.mongolei.or.at/25-jahre-otschir/umweltschutz-in-der-mongolei/
- https://www.wwf.de/themen-projekte/bedrohte-tier-und-pflanzenarten/leoparden-und-schneeleoparden/bankhars-alte-hunderasse-schuetzt-schneeleoparden?newsletter=infonewsletter%2FHausliste%2F2024%2F02%2F24%2Fwanderndetiere%2Ftiger%2F410654&utm_medium=email&utm_campaign=wanderndetiere&utm_source=infonewsletter&ecmId=5QW0PJBX-FGCK6Y&ecmEid=5R0SVCPO-5QW0PJBX-10EVGXH&ecmUid=56MPM4J5-102N1576
- https://www.atlasobscura.com/articles/mongolia-bankhar-dog
- https://www.rotary.org/de/alleviating-environmental-crisis-mongolia
- https://www.myclimate.org/de-at/aktiv-werden/klimaschutzprojekte/detail-klimaschutzprojekte/landnutzung-mongolei-7219/